05.08.2024

Beweiserhebung bei dem Verdacht einer Straftat

 LAG Bremen, Urt. v. 7.11.2023, 1 Sa 53/23 vs. BAG 29.06.2023, 2 AZR 296/22

 

Nach einer Straftat im Betrieb möchte man den Täter schnellstmöglich ermitteln. Häufig kommen dafür nur die eigenen Arbeitnehmer in Frage, da eine außenstehende Person keine Möglichkeit hat ungeachtet in die Räume zu kommen. Doch wie kommt man dem Arbeitnehmer auf die Schliche und welche Beweise dürfen erhoben werden?

Die Grenze der Beweiserhebung ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) der betroffenen Person. Insbesondere Eingriffe in die Privat- und Intimsphäre sind nur unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erlaubt. Dies bedeutet konkret, dass immer nur dann eine Beweiserhebung zulässig ist, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung der Straftat höher wiegt als das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Arbeitnehmers.

Genau bei dieser Abwägung divergieren aktuell die Rechtsprechungen, welches folgende zwei Beispiele verdeutlichen. In beiden Urteilen wurde über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung gestritten und ob die jeweiligen Beweise zulässig sind:

Das LAG Bremen entschied, dass die Auswertung von privaten Chatverläufen des Arbeitnehmers auf dessen Dienstcomputer einem Sachvortragsverwertungsverbot unterliegen, selbst wenn die Privatnutzung des Dienstcomputers untersagt ist. Die Auswertung durch den Arbeitgeber erfolgte aufgrund eines Verdachts des Diebstahls.

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Auswertung von privaten Nachrichten einen schwerwiegenden Eingriff in den Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt. Nur der vage Hinweis auf eine Straftat oder Pflichtverletzung des Arbeitnehmers könne solch ein Datenerhebung nicht rechtfertigen (§§ 5 ff. DSGVO i.V.m. § 26 BDSG). Der Umstand, dass der Arbeitgeber die private Nutzung des Computers untersage, würde an der Entscheidung nichts ändern.

Diese Entscheidung weicht in mehreren Punkten zur Rechtsprechung des BAG ab. Hier wurde eine Videoüberwachung als Beweis zugelassen, obwohl sie gegen die DSGVO verstoßen könnte. Soweit die Datenerhebung ein vorsätzliches Verhalten des Arbeitnehmers aufdecken kann, unterliegt es grundsätzlich nicht dem Beweisverwertungsverbot. Ausnahmsweise könnte die Beweiserhebung eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung für den betroffenen Arbeitnehmer darstellen, welches dann wiederum ein Beweisverwertungsverbot begründen könnte.

Diesen Schritt ist das LAG Bremen nicht gegangen. Eine offene Videoüberwachung ist mit der Auswertung von privaten Chatverläufen auf dem Dienstcomputer zwar schwierig zu vergleichen. Mit Blick auf die Rechtsprechung des BAG wurde jedoch dem Umstand, dass der Computer nicht für Private Zwecke genutzt werden darf, zu wenig berücksichtigt. Solch eine Privatnutzung beeinträchtigt das Interesse des Arbeitgebers maßgeblich. Zudem war der ausschlaggebende Grund für die Auswertung der Verdacht einer Straftat.

Grundsätzlich ist § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG Rechtsgrundlage für die Erhebung von Daten, wenn der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung vorliegt. Eine gerade Linie der Rechtsprechung ist nicht erkennbar. Es kommt viel mehr auf die Umstände des Einzelfalls an.

Sie sind betroffen von einer eigenartigen Beweiserhebung oder möchten sich gegenüber ihren Arbeitnehmern rechtmäßig verhalten? Dann lass Sie sich Rechtsanwalt Freier (u.a. Fachanwalt für Arbeitsrecht) umfangreich beraten.

 
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