LAG Niedersachsen, Urt. v. 28.02.24 – 2 Sa 375/23
Als Arbeitgeber bekommt man über die Zeit immer wieder verrückte Geschichten von Arbeitnehmern in ihrer Freizeit zu hören. Doch muss der Arbeitgeber jedes Verhalten des Arbeitnehmers außerhalb der Dienstzeit hinnehmen oder kann er sich unter Umständen auch von dem Arbeitnehmer trennen?
In dem oben genannten Urteil musste das LAG Niedersachsen entscheiden, ob eine sexuelle Belästigung des Arbeitnehmers in der Freizeit, während eines Bildungsseminars, gegenüber einer anderen Arbeitnehmerin desselben Betriebs eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. In dem konkreten Fall waren die Teilnehmer des Seminars in einem Schwimmbad. Der gekündigte Arbeitnehmer näherte sich von hinten kommend der Kollegin und legte seinen Arm um sie und schlug dabei auf ihre Brust. Die Betroffene rief „Fass mich nicht an!“ und lief weg. Der gekündigte Arbeitnehmer rief ihr hinterher „Stell dich nicht so an!“. Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer fristlos.
Für eine außerordentliche Kündigung bedarf es stets eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine außerordentliche Kündigung erst in Betracht kommt, wenn es keine milderen Mittel – wie eine Abmahnung, Versetzung, Umsetzung, ordentliche Kündigung – gibt. Auf der ersten Stufe wird geprüft, ob der vorliegende Grund typischerweise als wichtiger Grund anzusehen ist, wobei nur die Tatsachen berücksichtigt werden können, die bewiesen sind. Auf der zweiten Stufe kommt es zu einer Interessenabwägung zwischen den Vertragsparteien (Arbeitgeber-Interesse vs. Arbeitnehmer-Interesse). Interessen Dritte kommen werden nur ausnahmsweise berücksichtigt.
Dieser Maßstab muss nun auf das außerdienstliche Fehlverhalten angewandt werden. Grundsätzlich muss zwischen dem privaten und beruflichen Lebenssachverhalt strikt getrennt werden. Ein privates Verhalten des Arbeitnehmers berührt die Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich nicht.
Etwas anderes muss jedoch gelten, wenn das außerdienstliche Verhalten einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit aufweist, also eben doch die Interessen des Arbeitgebers betroffen werden.
Diesen Zusammenhang hat das Gericht bei dem oben geschilderten Sachverhalt bejaht. Das Opfer der sexuellen Belästigung war eine Arbeitskollegin und die Tat ereignete sich auf einer Veranstaltung die einen gewissen Bezug zur gemeinsamen Arbeit hatte.
Eine sexuelle Belästigung zwischen Arbeitskollegen ist auch grundsätzlich dazu geeignet einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
Die Interessen des Arbeitgebers wurden dadurch beeinträchtigt, da es negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander hat, sodass die außerordentliche Kündigung wirksam ist.
Die Frage, ob ein außerdienstliches Fehlverhalten eines Arbeitnehmers die außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, ist also von dem Kriterium des dienstlichen Bezugs abhängig.
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