18.02.2025

Präventionsmaßnahmen vor der Wartezeit des KSchG

LAG Köln, Urt. v. 12.09.2024 - 6 SLa 76/24

Das LAG Köln hat entschieden, dass die Pflicht zur Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX nicht von der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG abhängt. Damit weicht das LAG Köln von der bisherigen Rechtsprechung des BAG ab, welches in der Vergangenheit eine Anwendung des Präventionsverfahrens innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses verneint hatte. Hintergrund des Verfahrens war die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers während der Wartezeit, ohne dass zuvor ein Präventionsverfahren durchgeführt worden war.

Das LAG Köln argumentiert, dass der Wortlaut des § 167 Abs. 1 SGB IX keine zeitliche Einschränkung hinsichtlich der Wartezeit enthält. Zudem verweist das Gericht auf den Schutzzweck der Norm, welcher darauf abzielt, Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Die Entscheidung begründet sich unter anderem wie folgt: Anders als das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), das eine sechsmonatige Wartezeit für den allgemeinen Kündigungsschutz vorsieht, enthält § 167 Abs. 1 SGB IX keine derartige Regelung. Das LAG sieht es als systematisch unvereinbar an, die Wartezeit auf das Präventionsverfahren zu übertragen. Während die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG dem Arbeitgeber die Möglichkeit gibt, die Eignung des Arbeitnehmers zu überprüfen, dient das BEM dazu, durch frühzeitige Maßnahmen Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis zu beseitigen. Die Unterlassung eines Präventionsverfahrens kann als Indiz für eine Benachteiligung nach § 22 AGG gewertet werden. Arbeitgeber müssen daher beweisen, dass die Kündigung aus anderen, diskriminierungsfreien Gründen erfolgt ist. Auch das BEM nach § 167 Abs. 2 SGB IX muss grundsätzlich durchgeführt werden, sofern die Voraussetzungen (sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres) erfüllt sind. Das LAG Köln lehnt eine Einschränkung des BEM auf die Zeit nach Ablauf der Wartefrist ab.

Arbeitgeber sollten sich darauf einstellen, dass die Gerichte zunehmend eine frühzeitige Anwendung des Präventionsverfahrens verlangen. Um arbeitsrechtliche Risiken zu minimieren, sollten folgende Punkte beachtet werden: Sobald sich Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis abzeichnen, sollte der Arbeitgeber das Verfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX unverzüglich in die Wege leiten. Alle Maßnahmen und Gespräche sollten sorgfältig dokumentiert werden, um im Streitfall nachweisen zu können, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht nachgekommen ist. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass das BEM systematisch in die Personalstrategie eingebunden wird, insbesondere bei krankheitsbedingten Fehlzeiten.

Wenn Sie als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer Fragen zur Umsetzung der Präventions- und Eingliederungsverfahren haben oder rechtliche Unterstützung in diesem Bereich benötigen, steht Ihnen Rechtsanwalt Freier (Fachanwalt für Arbeitsrecht) beratend zur Seite. Kontaktieren Sie uns!

 
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