
EuGH, Urt. v. 19.10.2023 - C 660/20
Es ist gesetzlich geregelt, dass Teilzeitbeschäftigte nicht schlechter behandelt werden dürfen, als ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (§ 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Ausnahmsweise ist eine Ungleichbehandlung möglich, wenn sachliche Gründe diese rechtfertigen. Sachliche Gründe können etwa die Arbeitsleistung, Qualifikation oder auch die Berufserfahrung der Arbeitnehmer sein.
In der oben genannten Entscheidung musste sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern eine tarifvertragliche Regelung zu der Mehrarbeitsvergütung gegen diese Regelung verstößt. Der Kläger ist als Pilot bei der Beklagten beschäftigt und arbeitet in Teilzeit">Teilzeit mit 90 % der Arbeitszeit eines Vollzeitpiloten. Seine Vergütung wurde entsprechend um 10 % reduziert. Die Mehrarbeitsvergütung wurde jedoch erst gewährt, wenn die Flugdienststunden die für Vollzeitbeschäftigte geltenden Schwellenwerte erreichten. Der Kläger sah darin eine Benachteiligung, da seine individuelle Arbeitszeit nicht proportional berücksichtigt wurde, und klagte auf eine anteilige Anpassung der Schwellenwerte für Mehrarbeitsvergütung.
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die Regelung des Arbeitgebers gegen das Diskriminierungsverbot für Teilzeitbeschäftigte">Teilzeitbeschäftigte verstößt. Der EuGH stellte fest, dass die Festlegung einheitlicher Schwellenwerte für die Mehrarbeitsvergütung Teilzeitbeschäftigte">Teilzeitbeschäftigte in unverhältnismäßiger Weise benachteiligt. Da sie aufgrund ihrer reduzierten Arbeitszeit seltener die erforderlichen Stunden erreichen, erhielten sie faktisch seltener Mehrarbeitsvergütung als Vollzeitbeschäftigte. Eine sachliche Rechtfertigung für die ungleiche Behandlung konnte der EuGH nicht erkennen, insbesondere da die Zielsetzung des Arbeitgebers, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen, nicht mit objektiven Kriterien belegt wurde. Die ermittelten Werte der Auslösegrenzen beruhten weder auf wissenschaftlichen Erkenntnissen noch auf allgemeine Erfahrungswerte. Insbesondere erfolgt die Ausübung von Teilzeitarbeit aus individuellen Gründen, die bei statisch feststehenden Grenzen nicht berücksichtigt werden können.
Jede mögliche arbeitsvertragliche Regelung, wie Tarifnormen oder Betriebsvereinbarungen, welche Beschäftigungsbedingungen regeln, müssen proportional zur individuellen Arbeitszeit auf die Arbeitnehmer angepasst werden. Andernfalls können betroffene Arbeitnehmer eine Anpassung gerichtlich durchsetzen. Unternehmen sollten daher ihre Tarif- und Betriebsvereinbarungen anpassen, um Haftungsrisiken und Nachzahlungen zu vermeiden.
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