BAG, Urt. v. 23.08.2023 – 5 AZR 239/22
Der Arbeitsvertrag beschreibt nur den groben Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Mithilfe des Direcktionsrechts kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Anweisung zu Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung erteilen. Anhand banaler Beispiele wie, „Können Sie bitte erst den Auftrag von Müller fertig machen, bevor Sie mit Meyer weitermachen?“ oder „Das Paket muss zur Post, können Sie das für mich übernehmen?“ ist zu erkennen, dass der Arbeitgeber nahezu täglich Gebrauch seines Weisungsrechts macht.
Mit der Einführung des Arbeitsvertrags in das BGB im Jahr 2017 hat auch das Weisungsrecht in § 611 a Abs. 1 S. 2 BGB eine gesetzliche Grundlage.
Trotz der täglichen Anwendung des Direktionsrechts und dem unumstrittenen Bestehen ergeben sich im Laufe der Zeit in der Praxis immer wieder neue Problemfälle. In der oben genannten Entscheidung des BAG wurde sich mit der Konkretisierung des Direktionsrechts durch die Betriebsvereinbarung und der Kenntnisnahme des Direktionsrechts während der Freizeit des Arbeitnehmers auseinandergesetzt.
Die Klägerin war eine Notfallsanitäterin und der Beklagte ihr Arbeitgeber.
Konkret beinhaltete die Betriebsvereinbarung Regelungen über die Arbeitszeitgrundsätze im Einsatzdienst. Der Arbeitgeber konnte die Arbeitsleistung der Beschäftigten für den darauffolgenden Tag hinsichtlich Zeit und Ort konkretisieren, wenn der Arbeitnehmer in den „Springerdienst“ eingeteilt wurde.
Das BAG hat bestätigt, dass solche Konkretisierungen des Direktionsrechts zulässig sind, wenn die Voraussetzungen der betrieblichen Vorschrift erfüllt sind. Daraus folgt die Entstehung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht für den Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit das Direktionsrecht des Arbeitnehmers zur Kenntnis zu nehmen.
Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer also auch in der Freizeit Weisungen für die Zukunft erteilen, an die sich der Arbeitnehmer zu halten hat. Die Mitteilung per SMS, WhatsApp, E-Mail oder Anruf ist ausreichend.
Gleichzeitig hat das BAG klargestellt, dass die Kenntnisnahme einer solchen Weisung während der Freizeit des Arbeitnehmers keine Arbeitszeit darstellt. Von Arbeitszeit im arbeitsrechtlichen Sinne spricht man erst, wenn dem Arbeitnehmer für eine Zeitspanne gewisse Einschränkungen auferlegt werden, welche die Gestaltung der Zeit frei nach den eigenen Interessen ganz erheblich beeinträchtigen. Solch eine erhebliche Beeinträchtigung liegt gerade nicht bei der Kenntnisnahme der Weisung bezüglich der Arbeitszeit für den darauffolgenden Tag vor. Der Moment der Kenntnisnahme einer SMS, E-Mail, WhatsApp-Nachricht ist so kurz, dass die Freizeit des Arbeitnehmers nicht in erheblicher Weise beeinträchtigt ist.
Die Folge der Entscheidung war, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu Recht abgemahnt hatte, weil sie der Ansicht war, dass sie der Weisung während der Freizeit nicht befolgen müsse und deswegen zu spät den Dienst angetreten hat. Damit hatte der Arbeitgeber zu Recht die Arbeitsstunden vom Arbeitszeitkonto abgezogen.
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