Fragerecht des Arbeitgebers bei einem Bewerbungsgespräch

Jeder weiß: während eines Einstellungsgesprächs werden viele Fragen gestellt. Muss man alle wahrheitsgemäß beantworten oder besteht ein Recht zur Lüge?  

Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein Fragerecht. Dieses ist durch sein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse begrenzt. Damit besteht das Fragerecht nur insoweit, wie die Informationen mit  

  • Der Erfüllung der geschuldeten vertraglichen Leistung 
  • Sonstiger Verpflichtungen als Arbeitnehmer  
  • Der Pflichtenbindung des Arbeitgebers  

in Zusammenhang stehen. 

So wird dem Arbeitgeber insbesondere vor Abschluss eines Arbeitsvertrags ein solches Interesse zugesprochen, sodass dieser Fragen stellen darf, bei denen sein Interesse dasjenige des Arbeitnehmers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts und der Unverletzbarkeit seiner Individualsphäre überwiegt. Davon umfasst sind Fragen über Ausbildung, Beruf oder vorangegangene Tätigkeiten.  

Bei all diesen Fragen ist der Bewerber zu einer wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet. Kommt dieser dem nicht nach und gibt eine falsche Angabe an, kann dies den Arbeitgeber zu einer Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung (§ 123 I BGB) berechtigten. Dies insbesondere dann, wenn die falsche Angabe für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. 

Welche Verhaltensweisen können zu einer Täuschung führen?  

Neben positivem Tun, also dem ausdrücklichen Behaupten oder Entstellen von Tatsachen, kann eine Täuschung auch im Verschweigen relevanter Tatsachen erfolgen, soweit eine entsprechende Pflicht zur Offenbarung dieser besteht. 

Der Rechtsprechung folgend, wird in objektiver Hinsicht gefordert, dass der Arbeitnehmer/Bewerber durch Vorspiegelung /Entstellung von Tatsachen beim Arbeitgeber einen Irrtum erzeugt, welcher seine Entscheidung beeinflusst. 

Arglistig ist die Täuschung dann, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Angaben wahrheitswidrig sind und dadurch ein Irrtum des Arbeitgebers entsteht bzw. aufrechterhalten wird. Dass eine arglistige Täuschung vorliegt, hat der Arbeitgeber zu beweisen. 

 

Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers

In bestimmten Situationen besteht die Pflicht der Arbeitnehmer/Bewerber von sich aus auf bestimmte, die eigene Person betreffende Tatsachen hinzuweisen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, ist dies dann der Fall, wenn die betroffene Person erkennt, dass bestimmte persönliche Umstände gegeben sind, welche die Erbringung der arbeitsvertraglichen Leistung unmöglich machen oder von sonstiger Bedeutung für das Arbeitsverhältnis sind. 

 

Ist eine vom Arbeitgeber gestellte Frage unzulässig, so besteht keine Offenbarungspflicht (Beispiel: Frage nach der Schwangerschaft). 

Verletzt der Arbeitnehmer die Offenbarungspflicht, so kann der Arbeitgeber auch deshalb wegen arglistiger Täuschung anfechten.  

 

Unzulässige Fragen

Grundsätzlich sind diejenigen Fragen unzulässig, die geeignet sind, Bewerber aufgrund jeweiliger Eigenschaften, Persönlichkeitsmerkmalen oder Ansichtsweisen zu diskriminieren. Vor allem sind Fragen nach  

  • einer Schwangerschaft 
  • der Religion und Weltanschauung  
  • der sexuellen Neigung und Identität  
  • der Parteizugehörigkeit  
  • der Heiratsabsicht oder einem Kinderwunsch  
  • der Parteizugehörigkeit 
  • der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft 

unzulässig. 

Beantwortet der Bewerber eine dieser Fragen absichtlich falsch, so besteht für den Arbeitgeber gerade keine Anfechtungsmöglichkeit, da die Frage unzulässig gewesen ist. Damit ergibt sich für den Bewerber dann ein Recht zur Lüge. 

 

Spezielle Fragen

So bestehen jedoch noch weitere sensible Bereiche, in welchen Fragen durch den Arbeitgeber zulässig bzw. unzulässig sein können: 

  1. Schwerbehinderung 

Menschen mit einer Schwerbehinderung sind bei einem Bewerbungsgespräch zunächst nicht verpflichtet, über diese aufzuklären. Jedoch hat der Arbeitgeber das Recht, unabhängig von der Tätigkeit, den Bewerber nach einer Schwerbehinderung zu fragen. Es besteht ein Interesse des Arbeitgebers aufgrund der Beschäftigungspflicht von schwerbehinderten Menschen nach §§ 71 ff. SGB IX und der Beachtung der Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung. Damit obliegt dem Arbeitnehmer die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Antwort. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass er aufgrund seiner Behinderung die vorgesehene Arbeit nicht leisten kann oder aber diese zur Ausführung der Leistung ausschlaggebend ist.  

Folglich ist der Arbeitgeber auch berechtigt, den Arbeitsvertrag bei falschen Angaben aufgrund arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung ursächlich für Abschluss des Arbeitsvertrags war. 

Zu beachten sei, dass der Arbeitgeber auch während des Arbeitsverhältnisses berechtigt ist, nach einer Schwerbehinderung zu fragen. Dies ist insbesondere für beabsichtigte Kündigungen der Fall, da die Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen und das Integrationsamt, um Zustimmung zu fragen ist. 

 

  1. Vorstrafen 

Auch kann es zur Frage der Vorstrafen kommen. Dies ist nur insoweit zulässig, wie die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes eine solche Information „erfordert“. Dies meint, dass bei objektiver Betrachtung eine solche Frage als berechtigt erscheint, wie beispielsweise die Frage nach Vermögensdelikten bei Bank- oder Kassenangestellten. Gleich verhält es sich mit laufenden Straf- oder Ermittlungsverfahren.  

Jedoch gilt, dass, solange die Verurteilung nicht im Führungszeugnis aufgeführt ist, der Betroffene sich auch als unbestraft bezeichnen darf.  

Ist die Frage des Arbeitgebers jedoch zulässig und antwortet der Arbeitnehmer trotzdem wahrheitswidrig, so ist der Arbeitgeber berechtigt, dass Arbeitsverhältnis wegen wahrheitswidrig erteilter Auskunft zu kündigen. 

 

 

 
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